Eigentlich weiß ich gar nicht, wann es angefangen hat, dass ich so gern scharf esse. Dabei kann ich mich noch gut an die Wutausbrüche erinnern, die ich bekam, wenn mir früher scharfes Essen serviert wurde. Es war einfach die Wut über die Tatsache, dass es da ein feines Essen gibt, das ich aber leider so nicht genießen konnte, weil es mir einfach zu scharf war.
So. Damit ist's nun jedenfalls vorbei. Ich würze gern und auch gern scharf und ich steh dazu. Meine Kinder leiden manchmal ein wenig darunter. Da können Spagetti Bolognese schon mal einige Scoville (die Maßeinheit für Schärfe) mehr haben. Macht nix, die Nachhut hat sich ja auch mittlerweile daran gewöhnt.
Der Nebeneffekt: Meine Schwiegermutter kann gar nicht scharf. Ist echt total scharf. Wenn sie dann so dasitzt und um Luft ringt. Es wäre übertrieben zu sagen, ich würde diese Augenblicke genießen. Aber ein bisschen wohl schon.
Tja, und dass man beim Inder nie nie nie sagen darf: "Aber bitte scharf!" habe ich dann auch schon gelernt. Fehler macht man als Frau selten, und wenn doch, dann eben nur einmal.
Chili Piquin, Ancho, Habanero, Chipotle Jalapeno. Bestens kenn' ich mich damit aus. Und stolz bin ich darauf.
Und dann kam er, der Tag. Ich saß alleine in einem Restaurant in Addis Abeba und besah mir die Karte. Mit ordentlichem Appetit auf ein feuriges Wunder afrikanischen Ursprungs bestellte ich selbstbewußt die "Hot-3-Peppers-Soup". Auch der beherzte Hinweis und die dezidierte Nachfrage der zierlichen äthiopischen Bedienung "This soup is very hot - you want really?" tat ich mild lächelnd ab und bestätigte "I like very hot. Yes, please.". Soso. Ich freute mich auf ein aromatisches Feuerwerk von kulinarischer Urgewalt. Der Koch nahm die Herausforderung an. Wenig später brachte mir die freundlich lächelnde Bedienung die unscheinbar aussehende Suppe.
Was bleibt zu sagen? Schon beim ersten Löffel musste ich einem Feuer speienden Drachen ähneln. Verzweifelt sah ich mich um. Der ältere Herr am Nachbartisch - offensichtlich ein Brite - hatte das gleiche bestellt - und gab auf. Das ist ja nicht sehr britisch. Ich dachte an die hungernden Kinder in den Straßen von Addis und gab mir einen Ruck. (Es gab eh keine Alternative - Suppe macht sich schlecht in Handtaschen.) Und ich stand eindeutig unter Beobachtung der gesamten Belegschaft. Ich löffelte weiter. Noch um Haltung ringend, verfärbten sich meine entgleisenden Gesichtszüge in ein leicht hysterisches Lila, es folgten Schnappatmung und eine triefende Nase. Adieu Contenance. Der Koch kam wenige Augenblicke später an meinen Tisch und erkundigte sich freundlich: "Is it hot enough for you?" "Yes, it is very fine." Ich hoffte so sehr, dass mein Körper endlich ausreichend Endorphine ausstossen würde, um der haltlosen Schweißbildung Einhalt zu gebieten. Nichts dergleichen passierte.
Gefühlte Stunden später dämmerte mir die Erkenntnis, dass es wohl doch eine Differenzierung geben musste zwischen der europäischen und afrikanischen Flammenhölle. Scharf, oder?
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