Food-Pairing - aus der Aromenbibliothek

Fein sortiert: der neue Geschmack

 Gleich und gleich gesellt sich gern. Auf diese Formel lässt sich das Trendthema Food-Pairing reduzieren. Wären da nicht opulente Datenbanken, in denen Sterneköche wie Wissenschaftler zahllose Aromamoleküle zusammentragen. In ihnen liegt der Schlüssel zum Food-Pairing. Der hohen Kunst, das wesentliche Aroma einer Zutat zu ertasten und mit Gleichem zu kombinieren.

 Für Heston Blumenthal war es eine Überraschung: Weiße Schokolade harmonierte perfekt mit Kaviar. Aber warum? Einmal auf den Geschmack gekommen, nahm der Sternekoch die Fährte auf. Gemeinsam mit dem Lebensmitteltechniker Francois Benzi verglich er die beiderseitigen Inhaltsstoffe in einer Datenbank und traf auf ein verbindendes Trimethylamin. Ein Aminoxid, das Salzwassertiere aufweisen. Und eben weiße Schokolade. Willkommen in der buten Welt des Food-Pairings. Oder auch des Flavour-Pairings – je nach Geschmack.

 Food-Pairing kombiniert Lebensmittel miteinander, die gleiche Aromakomponenten aufweisen. Auf zuweilen überraschende Art und Weise entsteht so Harmonie. Auch wenn sie mehr einem Periodensystem als einem Kühlschrank zu entspringen scheint. In der Tat kommt guter Geschmack ohne Biochemie nicht aus - ebenso wenig wie der eigene Garten. So erschnupperte Francois Benzi, besagter Chemiker, eines Tages im heimischen Jasminduft einen Hauch von Leber. Oder täuschte es sich? Er wagte den Versuch und servierte im Freundeskreis Leber mit Jasminblüten. Der Versuch gelang. Wenn auch nicht im Labor, so doch am verblüften Esstisch.

 

Es sind Geschichten wie diese, die die Magie des Food-Pairings beschrieben. Blumenthal und Benzi jedenfalls finden beide Feuer, experimentierten, analysierten, verglichen und kamen auf die Formel: Wenn zwei Zutaten dieselben Hauptaromakomponenten tragen, dann harmonieren sie miteinander.

Für den Einkaufszettel bedeutet das: Feige mit Basilikum, Erdbeeren mit Lammfleisch, Jakobsmuschel mit Tomate, Petersilie mit Banane, ja, und auch Schokoladenmuffin mit Blauschimmelkäse. Allesamt Dreamteams. Sagen die Moleküle.

 Was zunächst gewöhnungsbedürftig klingt, lässt sich auch für altbekannte Küchenkombis durchprobieren. Ein Griff in die Aromenbibliothek verrät beispielsweise: Tomate und Basilikum vertragen sich deshalb so gut miteinander, weil sie das gleiche Hauptaroma tragen. Über Jahrhunderte des Ausprobierens trafen sie irgendwann aufeinander, wurden stetig reproduziert und für dauerhaft gut befunden. Wie so vieles in der klassischen Küche.

Denn die Kombination von verschiedenen Geschmäckern und Aromen, die uns unsere Lebensmittel bieten, ist so alt wie das Kochen selbst. Gelingt eine neuartige Variante, dann ist sie uns Menschen viel wert. Die Geschichte der Gewürze erzählt davon wie keine zweite. Auch wenn Gewürze und Kräuter nicht sättigen, auch wenn wir sie nur in kleinsten

Dosen konsumieren, reckten und streckten sich nach Ihnen doch ganze Königreich und Handelsrouten. Alle für die Geschmacksrezeptoren. Gleich den alten Seefahrern entdecken heute Food-Wissenschaftler kulinarisches Neuland im Molekülbereich.

Also, ran an die Kochtöpfe und ein appetitliches Abenteuer ausprobieren! Oder lieber doch nicht? Noch wichtiger als Überraschungen ist es uns nämlich, Vertrautes zu entdecken. Immer gerne mitgeteilt mit einem „Das schmeckt doch wie…“ . Ein jeder mag es bei sich selbst beobachten. Der Rezepterfolg liegt schlussendlich in der Verbindung von Bekanntem, damit Sicherem, und reizvollem Neuen.

Gut, auch dies scheint machbar. Also, los jetzt. Ran an die Moleküle und fix den Einkaufszettel geschrieben. Doch schon runzelt der Soziologe die Stirn: Geschmack entsteht zwar in einem biochemischen Prozess, der die Sinneszellen und das Gehirn durchläuft. Aber zum Genuss kommen mentale und emotionale Faktoren hinzu: Erinnerungen, Vorlieben, Atomsphäre, Stimmung. Außerdem beeinflussen Jahreszeit, tradierte Landesküche, Duft, Textur und Temperatur eines Gerichtes. Alle Facetten zusammen entfalten sich in einer mehrdimensionalen Dramaturgie, die auf einem wohlig leer geputzten Teller landete. Der gute Geschmack liegt eben im Gaumen des Betrachters. Und zwar in jedem einzelnen.

Wer nun auch noch weiß, dass Kaffee allein 700 aromatische Verbindungen besitzt, die wohl zahllose gemeinsame Nenner finden werden, der legt den so ambitionierten Einkaufszettel zur Seite. Er schlägt die Fachbücher zu, schaltet das Internet aus. Und geht erst mal in sich. Vielleicht geht er auch in den Garten. Denn eine kreative Geschmackskombination braucht stets einen guten Schuss Intuition, der in die Datenbank tröpfelt. Eine Inspiration ist Food-Pairing dann allemal.

 

Griff in die Aromenbibliothek 

Wer selbst experimentieren möchte, der kann die Datenbank www.foodpairing.com (auch als App für iPads) besuchen oder ins Buchregal greifen:

Faszinierende Wissenschaft: "Aroma. Die Kunst des Würzens" von Thomas A. Vierich und Thomas A. Vilgis (Verlag Stiftung Warentest)

 

 Artikel erschienen in Pfeffer – das Gewürzmagazin, Ausgabe 2/2014

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